Die Phileasson-Saga: Nordwärts – Bernhard Hennen und Robert Corvus

von: Bartok

Lang war es her, dass ich ein Buch in deutscher Sprache gelesen hatte, doch als ich jenes entdeckte mit dem sich diese Rezension beschäftigt, waren es zwei Gründe, die mich zum Kauf bewegten. Erstens, ich spiele seit einiger Zeit Das Schwarze Auge (DSA) Pen-&-Paper und so sah ich dieses Buch als informationsreiche Ergänzung, um mein Verständnis Aventuriens, die Welt in der Das Schwarze Auge spielt, zu vertiefen. Und Zweitens las ich in meinen Teenagerjahren Bernhard Hennens Elfenbücher, die ich als qualitative deutsche Fantasy Literatur in Erinnerung habe.

Zwar wurde ich nicht enttäuscht, was den Informationsreichtum betrifft, doch muss ich gestehen, dass mich Hennen und Corvus, was die Geschichte und Charaktere betrifft, enttäuscht haben.

Nordwärts (2016) (1) ist der erste Roman der Phileasson-Saga von Bernhard Hennen und Robert Corvus. Die Götter verlangen nach einer Wettfahrt. Asleif Phileasson und Beorn der Blender, die berüchtigtsten Kapitäne Thorwals, müssen ganz Aventurien umrunden und sich Prüfungen stellen. Der Sieger darf sich König der Meere nennen. Die erste Prüfung besteht in einer Reise in den kalten Norden, um einen Kopfschwänzler zu fangen.

Das Buch beginnt mit einem 80 Seiten langen Prolog, über eine Handvoll Jungen, die ein Mädchen in einer Felsspalte gefangen halten und missbrauchen. Zwar beeinflusst der Prolog einige Charaktere und wird am Ende des Buchs noch einmal aufgegriffen, doch ist es schwer abzusehen, welche Funktion er für die Geschichte im Ganzen trägt. Natürlich kann man dies auch von Prologen anderer Bücher sagen, doch passt dieser auch von der Stimmung her nicht zum Rest. Zwar spreche ich mich nicht gegen Themen wie sexuellen Missbrauch in Romanen aus, doch sei der Leser dieser Rezension gewarnt, was er zu erwarten hat, sollte er sich entscheiden, das Buch zu lesen.

Außerdem sind 80 Seiten etwas lang für einen Prolog, wenn er knapp 1/6 des Gesamtwerks ausmacht. Die Geschehnisse nehmen zudem im weiteren Verlauf der Geschichte eine zweitrangige Rolle ein. Anstatt des vorhandenen Prologs hätte vielleicht lieber etwas über den Grund der Wettfahrt geschrieben, oder zumindest angedeutet werden sollen, denn außer, dass es der – bisher unerfindliche – Wille der Götter ist, erfährt man nichts darüber.

Die Geschichte über die Wettfahrt, etwa zehn Jahre nach dem Prolog, schafft es nicht Spannung aufzubauen. Fantasy-Elemente wie geheimnisvolle Charaktere, Yeti-ähnliche Kreaturen, etc., werden zu schnell in die Geschichte eingeführt, oder haben aufgrund mangelnder Ausstrahlung von Gefahr keinen Reiz. Und Ereignisse wie das Überbordgehen eines Crewmitglieds wirken unbedeutend, was vor allem daran liegt, dass der Leser von den Charakteren unbeeindruckt bleibt.

Die Charaktere sind flach, denn die Versuche ihnen Tiefe zu geben, schlagen im ersten Roman fehl. Einer der erwähnten Jungen, der Einzige der sich nicht am Mädchen vergriffen hat, ist mittlerweile Magier geworden und fürchtet sich vor seinen Kräften, insbesondere dem magischen Feuer, was zwar als Fakt dargestellt wird, durch den Schreibstil aber an Bedeutung verliert. Außerdem stellt er sich ständig Fragen, um einen Einblick in sein Inneres zu gewähren, doch wirken diese gezwungen. Ein weiterer Charakter ist eine Waldmenschenfrau, die vom Tod fasziniert/besessen ist und immer wieder auf diesen hinweist, was dazu dient, dass der Leser nicht vergisst, dass es sie auch noch gibt. Die Liste ist länger, doch möchte ich nun zu Phileasson und Beorn kommen.

Beorn wird zu Anfang als harter und ruchloser Kapitän dargestellt, der seinen Ruhm auf Plünderfahrten erlangt hat. Spätestens in der zweiten Hälfte des Romans ändert sich dieses Bild jedoch, als er Schwäche zeigt und sich dem Willen eines Crewmitglieds beugt. Es scheint als versuchten die Autoren ihm mehr Komplexität zu geben, doch wäre Beorns Charakter in sich geschlossener, wenn er wirklich nur der Bösewicht wäre und sich nicht im Laufe der weiteren Romane zum Antiheld entwickelt. Natürlich sind Charakterwandlungen interessant, doch wäre diese in Beorns Fall in einem späteren Teil der Buchreihe vielleicht besser angesiedelt.

Phileasson hingegen wird als gutmütiger und nobler Kapitän dargestellt, der seinen Ruhm auf Entdeckungsfahrten erlangt hat. Leider erlebt man ihn nur als einen weiteren Charakter und nicht als den Held, der er in den Augen seiner Crewmitglieder ist.

Ich sehe drei Punkte, die für mich den Qualitätsmangel dieses Romans erklären.

Erstens: Allein in 2016 sind die ersten drei Teile der Reihe veröffentlicht worden. Entweder die Autoren haben vorgearbeitet, was mir den Qualitätsmangel nicht erklärt, oder sie wenden nicht genug Zeit auf, um ihre Werke zu überarbeiten und wirklich drüber nachzudenken, was funktioniert und was nicht. Interessant: der vierte Band kommt erst im Herbst 2017.

Zweitens: Die Romanreihe basiert auf der Das Schwarze Auge Kampagne Die Phileasson-Saga aus dem Jahre 1990. Dass die Geschichte in einer Pen-&-Paper Kampagne funktioniert, bedeutet nicht, dass sie es auch in einer Romanreihe tut. Es sind zwei verschiedene Formen des Geschichtenerzählens und Letztere benötigt in allen Aspekten mehr Detail. Dies gilt es in ein Buch wie Nordwärts einzufügen, doch gibt es verschiedene Dinge, die es erschweren. So muss z. B. auf den Verlauf der Geschichte geachtet werden und bereits Vorhandenes kann einen im kreativen Prozess einschränken. Außerdem hatte ich beim Lesen das Gefühl, dem Verlauf von Questen der originalen Kampagne zu folgen. Natürlich ist mir bewusst, dass andere Bücher ebenfalls in solche Abschnitte eingeteilt werden können und das Wissen, dass das Buch auf einer DSA Kampagne basiert wird seinen Teil zur Erfahrung, die ich mit Nordwärts gemacht habe, beigetragen haben.

Drittens: Der Schreibstil ist simpel. Einfach bedeutet nicht schlecht, man muss das Handwerk nicht so gut beherrschen können wie ein Stephen King oder ein Mark Helprin, doch erwarte ich von Autoren, die im Heyne Verlag untergebracht sind, und schon einige Romane geschrieben haben, mehr. Geschichte, Charaktere, Szenerie kommen durch einen guten Schreibstil erst zum Leben.

Für dieses Review bin ich noch einmal zu Die Elfen (2) zurückgekehrt und habe die ersten paar Seiten gelesen, um mein Gedächtnis bezüglich Schreibstil und Erzählweise aufzufrischen. Im Vergleich: der Schreibstil hat einen guten Flow und die gefährliche Situation, in der sich Mandred und seine kleine Gruppe befinden, ist spannender als jeder Kampf in Nordwärts. Außerdem ist Mandred durch seine Beschreibung sympathischer als Phileasson. Anstatt ein berühmter Seefahrer zu sein, was hohe Erwartungen zur Folge hat, die dann auch bedient werden müssen, ist Mandred ein einfacher Mann, der sich um sein Dorf und seine Frau sorgt.

Die Umrundung Aventuriens verspricht viel, doch was sie bietet ist soweit enttäuschend. Trotz meiner vernichtenden Worte, man werfe nur einen Blick auf die Amazon Kundenrezensionen und sieht, auch über dieses Buch scheiden sich die Geister.

Fußnoten:

(1) Hennen, Bernhard und Robert Corvus. Die Phileasson-Saga: Nordwärts. München: Heyne, 2016. Print.

(2) Hennen, Bernhard und James S. Sullivan (2004). Die Elfen. 16th ed. München: Heyne, 2008. Print.

Über N.-G.H.

Niels interessiert sich für Literatur, Geschichte und Filme/Serien. Seine Forschungsschwerpunkte sind das "Golden Age of Pulp", Herrschaftssysteme und Mythopoetik. Niels ist Mitglied der Deutschen Lovecraft Gesellschaft.
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